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Auf dem Pferderücken zur Gesundheit

Reittherapie Aubek - Anja Müller aus Bokel lässt Ihre Seele im Sattel baumeln

 

Kleine Nebelwölkchen treten aus den Nüstern. Haflingerstute Lotte stört die kühle norddeutsche Luft nicht.

Sie ist bereit, eine Runde durch das Gelände zu gehen. Auf ihrem Rücken sitzt in freudiger Erwartung

jemand, der gar nicht reiten kann. Darum geht es hier aber auch überhaupt nicht.

 

Anja Müller hat sich einen Traum erfüllt.

„Ich liebe Pferde, sie sind seit 40 Jahren ein Teil meines Lebens“,

erklärt die Trainerin für Reittherapie und ganzheitliche Reitpädagogin.

„Außerdem arbeite ich leidenschaftlich gern mit Menschen. Es ist mir ein Anliegen, zu helfen.

Das war schon immer so.“ Deswegen hat die 50-Jährige vor vielen Jahren eine Ausbildung zur

Altenpflegerin gemacht. Unter anderem.

Anpacken konnte sie schon immer. Mit 25 Jahren war sie Schleswig-Holsteins jüngste

stellvertretende Heimleitung.

Zusätzlich ist sie ausgebildete Sanitäterin.

„Zu einer steilen Karriere in einem Pflegeheim ist es dann aber doch nicht gekommen“,

erinnert sie sich und lächelt, „da kam nämlich die Liebe dazwischen.“ 

Doch der Mann war nicht allein.

Er besaß einen Hof und Milchvieh.

Nicht erst seit „Bauer sucht Frau“ ist bekannt,

dass eine Bauersfrau im eigenen Betrieb gebraucht wird.

 

Mir stellte sich diese Frage gar nicht“, so Anja Müller,

„ich bin mit Sack und Pack eingezogen und habe fortan getan,

was zu tun war.“

 

Pragmatisch ist sie, die mittelgroße Frau aus dem Kreis Pinneberg,

und herzlich.

Alle ihre Kühe hatten Namen.

Als sie noch da waren. Jetzt steht der Stall leer.

„Das war nicht einfach für meinen Mann und mich.

Aber es ging nicht mehr.“ Die Milchkrise fordert ihren Tribut:

im Jahr 2016 müssen die Müllers schweren Herzens entscheiden,

die Milchproduktion einzustellen.

Doch Anja Müller wäre nicht Anja Müller,

wenn sie nicht schon Plan B in der Tasche hätte.

 

Sie beginnt ein Fernstudium für Reittherapie und eröffnet im Herbst diesen Jahres

ihre "Reittherapie Aubek" in Bokel. Hier hilft Anja Müller Menschen mit psychischen

sowie physischen Problemen, einen besseren Lebensstandard zu erreichen, sich wohler

zu fühlen und gesund zu werden. Auch heilpädagogisch in der Kinder- und Jugendarbeit kann

sie erfolgreich

helfen. Es werden Entwicklungsverzögerungen, Konzentrationsprobleme

und Sozialisierungsschwierigkeiten behandelt. Zusätzlich lehrt Anja Müller

ganzheitliches Reiten nach biomechanischen Grundlagen.

„Das war früher schon mein absoluter Traumberuf“, verrät sie,

„doch es ist eben nie dazu gekommen, dass ich ihn ergreifen konnte.“

 

Bis jetzt. Denn nun hat die 50-Jährige das Zertifikat in der Tasche.

Das Spektrum derer, die sich von ihr und Lotte helfen lassen können, ist weit.

„Ob Kind oder Erwachsener, ob sprachlich verzögert oder von einem Burnout

außer Gefecht gesetzt ­– die Reiteinheiten

sind in beinahe jeder Hinsicht hilfreich“, berichtet Müller.

Die Nähe zu dem großen Tier gebe Ruhe und Vertrauen, so dass psychisch

Angeschlagene zur Entspannung finden.

Auch Personen mit Rückenleiden, oder Frauen nach einer Schwangerschaft,

sind hier richtig. In der langsamen Gangart „Schritt“ werden

Muskeln und Knochen des Reiters ideal mobilisiert.

Insgesamt vier Pferde und Ponys stehen zur Verfügung:

von ganz klein bis mittelgroß.

Jedes Tier wird für eine andere Aufgebe eingesetzt, um so individuell ein weit

gefächertes Angebot abdecken zu können. "Elementar wichtig ist, dass

Reiter und Pferd zusammen passen!", weiß Anja Müller.

 

„Kinder, die nur langsam sprechen lernen machen plötzlich einen Sprung

in der Entwicklung, wenn sie einige Zeit die heilende Wirkung des Reitens

erlebt haben“, erzählt Anja Müller, „das ist unglaublich schön mit anzusehen.

“ Die Einheiten, die sich aus 20 bis 30 Minuten auf dem Pferderücken

und vorherigem sowie sich anschließendem Pflegen des Tieres zusammensetzen,

dauern insgesamt bis zu einer Stunde.

Dabei finden sie entweder auf einem geschlossenen Platz, oder in freier Natur statt.

Anja Müller ist immer in unmittelbarer Nähe.

„Was genau passiert, hängt ganz von den speziellen Bedürfnissen des Reiters ab“,

sagt sie. „Ein Aspekt der Therapie ist, dass wir immer draußen im Freien sind,

und mit allen Sinnen erleben.

Achtsames Wahrnehmen der Umwelt, ganz und gar nur in diesem Moment sein,

und nicht mit den Gedanken woanders, genau das ist, was Lotte

und ich hier anbieten.“ Die Freude über diese Tätigkeit steht Anja Müller ins Gesicht

geschrieben. Nach einer Runde durchs Gelände kommt sie mit ihrem Schützling

wieder im Stall an. „Das war einfach toll!“, sagt die Person,

die lächelnd vom Pferderücken herunter gleitet. Und auch Lotte schnauft zufrieden.

"Hat mich tief bewegt..."

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